Bereits um 5 Uhr morgens treffe ich mich mit dem Organisator der Weltmeisterschaft, Werner Wolf, am 05:Mai 2018 an der Kulturscheune (dem Ziel) und reise mit ihm gemeinsam zum Start nach Blankenstein.
Das ist mal ein Service!
Denn so spare ich mir knapp 200 Kilometer Anreise und erleichtere mir deutlich die Rückreise nach dem Wettkampf.
Und so toll geht es auch weiter: an der Touristeninfo bekomme ich eine fesche blaue Sonnenbrille geschenkt und als besonders Schmankerl in den Startunterlagen eine dicke Thüringer Wurst als Notration.
Hier in Blankenstein ist schon alles auf das Event eingestellt: der Wanderstützpunkt ist herausgeputzt, die Saale-Orla-Prinzessin gibt sich die Ehre und die Medien sind auch dabei: MDR Thüringen wird in ihrem Abendprogramm über das Highlight berichten und ein Reporter von Radio Thüringen möchte eine Radioreportage erstellen.
Schließlich ist die Herausforderung gewaltig: den gesamten Rennsteig (169km, 3548 Höhenmeter) nonstop in maximal 38 Stunden zu wandern.
Und da sind Pausen, Verlaufen, Müdigkeit und andere Unwägbarkeiten natürlich schon alle eingerechnet.
Ohne Frage ist das einer Weltmeisterschaft mehr als würdig.
Und dann geht es pünktlich um 9h direkt an der Seibnitz los.
So weit die Füße tragen ...
Das Wetter ist weltmeisterlich wolkenlos und die ersten Starter machen direkt richtig Druck. Ich finde eine Neunergruppe mit der ich gut als Team zusammenarbeiten kann.
In dieser Gruppe ist auch ein Kameruner, der noch bester Dinge ist. Auf den ersten Kilometern geht es noch über Felder dahin, aber ich bin mir sicher, dass der Thüringer Wald bald schon kommen wird.
Immer wieder trifft unsere Neuner-Gruppe auf das Team vom MDR, die Material fürs Abendprogramm sammeln.
Noch läuft es gut und entspannt bei allen, auch wenn mir das Tempo leicht zu hoch ist. So bin ich manchmal 50 Meter hinter dem Rest, dann wieder auf gleicher Höhe, aber immer im Sichtkontakt.
Um 12.45h erreichen wir dann in ersten Verpflegungspunkt in Brennersgrün. Wir liegen als Gruppe eine Stunde vor dem Zeitlimit.
Ein guter Beginn, aber noch ist der Weg ja sehr, sehr lang.
Nach ein paar Broten geht es wieder in den Wald.
Nun ist die Gruppe gesplittet und fast jeder ist alleine unterwegs.
Erste Teilnehmer bekommen Probleme mit Blasen.
Nun kreuzt der Rennsteig mehrere Male die ehemalige deutsch-deutsche Grenze. Als Laie hatte ich gedacht, dass der Rennteig komplett auf DDR-Gebiet lag. Wieder etwas gelernt.
Inzwischen ist es richtig warm. Im Wald stehen immer wieder alte Wappensteine und erzählen von einer bewegten Vergangenheit. Hier haben sich früher viele Adlige ihr Revier abgesteckt.
Die Strecke durchläuft nun Steinbach am Wald und wird danach etwas monoton. Immer an der Strasse entlang.
Das ist schon etwas Arbeit für den Kopf, aber so macht man Kilometer und nachdem zwei andere Wanderer zu mir aufgeschlossen haben, kommt auch wieder etwas Abwechslung dazu.
Wir überqueren gemeinsam die Landesgrenze nach Thüringen und erreichen um 16.15h Spechtsbrunn (1:45h vor dem Zeitlimit).
Hier gibt es Suppe und die Möglichkeit seinen Getränkevorrat aufzufüllen.
Ein großes Wiedersehen mit einigen Teilnehmern. Doch ab hier wird sich die Stimmung ändern ...
Ich breche zeitig wieder auf und will weiter Meter machen.
Auf dem Weg nach Ernstthal erreicht mich ein Wanderer von hinten, mit dem ich mich eine Zeit lang austausche.
Dann wird mir seine Tempo etwas zu schnell und ich lasse ihn ziehen.
Bis hierhin war der Rennsteig sehr gut ausgeschildert und ich bin besten Mutes. Dann geht es durch Neuhaus und ich verliere meinen Vordermann aus den Augen, vielleicht ist er in den großen Supermarkt abgebogen um sich zu versorgen?
Wieder geht es in die Tiefen des Thüringer Waldes. Und dort passiert der fatale Irrtum: ich folge den Rennsteig-Schildern, allerdings dem Rennsteig-Radweg und der Rennsteig-Skiloipe.
Es hätte sehr geholfen, wenn ich vorher gewusst hätte, dass es da so viele Unterschiede gibt.
Als ich meinen Irrtum bemerke, habe ich mich völlig verirrt und bin so weit vom GPS-Track weg, dass ich GoogleMaps um Hilfe bitten muß: über 4 Kilometer sind es um auf den Track zurückzukommen.
So ein Mist!!!
Und die Zeit läuft. Um 21 Uhr erreiche ich mit dem Einsetzen der Dunkelheit endlich Limbach und wieder auf dem Rennsteig. Im Schein der Stirnlampe folge ich dem schmalen Pfad, der nun erheblich schwieriger zu meistern ist.
Von anderen Wanderern vor und hinter mir ist natürlich nichts mehr zu sehen.
Den dritten VP in der Pension Arnika erreiche ich letztlich um 22 Uhr. Immerhin noch 45 Minuten vor dem Zeitlimit. Eine größere Gruppe will gerade wieder in die Nacht aufbrechen, also fülle ich nur meine Trinkblase auf und nehme zwei Brote auf die Hand mit und dann geht es wieder los. Gemeinsam sind stark.
Jetzt sind wir eine Sechser-Gruppe. Allerdings auch nur für kurze Zeit, denn das Tempo ist einfach zu unterschiedlich. Die vier schnellsten Wanderer muß ich ziehen lassen und habe nur noch einen erfahrenen Wanderer mit Hund als Begleiter.
Bis Masserberg (KM 70) läuft es ganz gut. Dort verlieren wir einige Zeit um den richtigen Weiterweg zu finden und danach wird das Gelände richtig schwierig. Teilweise scheint es durch Bachbetten zu gehen oder im Dunkeln ist einfach der Weg nicht zu erkennen. Ein Wahnsinn.
Hier verliere ich auch meine letzten Begleiter und bin nun wieder völlig alleine unterwegs.
Die Nacht ist ziemlich frisch, so dass ich meine Jacke und Handschuhe anziehe. Mitternacht ist längst durch und der nächste Ort noch weit entfernt.
Immer weiter. Dann geht es kurz durch das Örtchen Kahlert und in der Ferne kann ich Neustadt bereits erkennen. Endlich.
Um 2 Uhr erreiche ich den nächsten Verpflegungspunkt, als gerade zwei Wanderer wieder aufbrechen.
Im Inneren erfahre ich, dass aus der vor mir laufenden Vierergruppe nur noch dieses Duo übrig ist. Die anderen beiden haben aufgegeben. Wie inzwischen so manch anderer auch.
Das hier ist ein echtes Monster!
Das Zeitlimit sitzt mir brutal im Nacken, aber ich fühle mich einfach noch nicht erschöpft genug um einfach aufzugeben.
Und nun bin ich natürlich wieder alleine in der stockfinsteren Nacht unterwegs.
Das Duo vor mir hat zu viel Vorsprung und die Orientierung ist zu zweit auch einfacher. Die werde ich nicht einholen können.
So kommen ich nach 5 weiteren Kilometern an den Großen Dreiherrenstein, der die Mitte des Rennsteigs anzeigt. Unfassbar, dass hier erst die Mitte sein soll ...
Bei Kilometer 87 kreuze ich den Ort Allzunah und bin mehr als erstaunt, dass dort um 4h früh einen Frau an der Bushaltstelle steht. Sachen gibt's.
Nun geht es durch die Wälder aufwärts und kurz vor Schmücke wird es langsam hell. Endlich, so wird die Navigation wieder leichter werden.
In der Nacht habe ich reichlich Zeit verloren und mir ist klar, dass es mit dem großen Finish nichts werden wird. Aber bis Oberhof werde ich nochmal 7 Km alles geben.
Es geht über den Großen Beerberg, mit 973 Metern der höchste Punkt auf dem Rennsteig.
Und um 8.20h bin ich dann als 18. am nächsten VP. 5 Minuten zu spät, aber hier wollte ich ja sowieso aufhören.
Was für eine harte Nummer und ich bin stolz auf meine Leistung!