Zwei Wochen ist das Regenrennen an der Zugspitze her. Den Muskeln geht es wieder einigermassen gut und vor zwei Tagen habe ich einen kurzen 3km-Lauf absolviert, dann steht die Entscheidung fest: ich werde zum Thüringen Ultra anreisen.
Da die hochsommerlichen Temperaturen von fast 40°C dem Veranstalter nicht mal eine Meldung auf seiner Webseite wert sind, kann ich ja wohl schlecht kneifen.
So besorge ich mir vorsorglich 15 Liter Mineralwasser für das lange Wochenende in Thüringen und so kann das Abenteuer losgehen.
Gute vier Stunden später erreiche ich Fröttstädt und finde mich direkt gut zurecht.
Die Wiese fürs Camping ist gut ausgeschildert, meine Startnummer 56 schnell besorgt und der ausgeteilte Zettel enthält die Infos zu allen offenen Fragen, die ich noch hatte.
So bleibt genug Zeit um vor der Pasta-Party noch eine kleine Runde durch den Ort zu machen. Wirklich viel ist hier am Freitag Nachmittag nicht los. Vielleicht liegt es an der Hitze, denn sogar die Kirche ist verschlossen. Nichtsdestotrotz kann ich einige schöne Impressionen mit meiner Kamera festhalten, dann gibt es Pasta und dann geht es zeitig in die Liegelage, denn morgen ist der Startschuss bereits um 4 Uhr morgens.
Ehrlich gesagt bin ich froh als die Sonne langsam untergeht. Schatten ist bei diesen Temperaturen doch ein hohes Gut!
Meinen Wecker habe ich auf 3:01h gestellt. Das sollte hoffentlich reichen um etwas zu frühstücken, sich umzuziehen und sich den Zeitchip abzuholen. Schließlich ist der Start ja auch nur 150m entfernt.
Zwei Joghurts und eine Banane müssen als frühe Stärkung reichen und letztlich wird es dann doch noch etwas knapp bis ich um 3:50h meinen Zeitchip am Handgelenk habe und Reservekleidung für den zweiten Wechselpunkt bei Km54 abgegeben habe.
Pünktlich und natürlich mitten im Dunkeln geht es los!
Die ersten Meter sind mit brennenden Holzscheiten flankiert, was spektakulär aussieht, aber fast schon ein Gefühl einer leichten Rauchvergiftung verursacht.
Und so geht es nach einer kleinen Schleife durch den Ort hinaus in das Thüringer Land.
Meine Strategie ist simpel: erstmal etwas Zeit auf die Cut-Off-Zeiten herausholen, bevor die grosse Hitze kommt.
So weit die Theorie denn etwa bei Km 7 stürze ich im Wald. Verdammter Mist! Die rechte Hand hat etwas abgekriegt, aber ansonsten ist erstmal alles ok.
Langsam wird es richtig hell und bei Km10 ist der erste Verpflegungspunkt erreicht (5.10h). So weit alles im Rahmen. Es sind auch einige Radbegleiter unterwegs, die mich anfangs als das Feld noch dicht zusammen läuft, doch manchmal etwas stört.
Apropros stört: wer dachte, dass die Waldstücke angenehm sind, hat die Rechnung ohne die Fliegen gemacht. Es ist zwar keine Plage, aber ohne Insekten wäre es doch schöner.
Was ist sonst noch zum ersten Abschnitt zu sagen: die Anstiege sind lang, aber ich komme ganz gut voran. Die ersten Staffelläufer überholen mich. Und als ich mich fast schon am ersten Wechselpunkt befinde (km 25) überholt mich ein junger Radbegleiter und meint: "Super, fast geschafft!"
"Naja", antworte ich, "noch 75 Kilometer!"
Da war der Junge sprachlos.
Nach 3:52h erreiche ich die Glasbachwiese. Hier trinke ich erstmal etwas Brühe, bevor es weitergeht.
Ich lasse die Zuschauer und die wartenden Staffelläufer zurück und weiter geht es auf die grosse Runde.
Es geht gerade im Wald etwas holprig bergab, als mich eine Staffelläuferin überholt und mir zuruft: "Pass auf, sonst fressen Dich die Bremsen".
Netter Versuch. Aber nach Flirten ist mir gerade nicht zumute und ich lasse die schnelle Oberfränkin enteilen.
Am nächsten VP öffnet sich der Wald und es gibt weite Ausblicke. Nun wird es langsam richtig warm.
Die Landschaft ist weiter reizvoll und so vergehen langsam die Stunden. Noch ist alles ok und an einem Essensstand gibt es sogar Kartoffeln mit Salz. Sehr lecker! :-)
Das letzte Stück nach Floh-Seligenthal geht auf Asphalt dahin. Es ist warm und ich lege immer wieder Gehpausen ein. Einige überholen mich, aber die Strecke ist noch sehr lang. Ich bleibe geduldig.
In Floh-Seligenthal ist es brüllend heiss. Ich werde freundlich als "Weitgereister" begrüsst und mache mich erstmal auf die Suche nach meinem Drop-Bag. Ich brauche dringend weitere Salztabletten für die zweite Hälfte des Ultras. Netterweise helfe mir zwei Kinder beim Finden meines Beutels und nach so viel Trinken wie irgendwie möglich ist, geht es weiter. Nun geht es gute 7 Kilometer nur bergan.
Kurz nach dem Loslaufen passieren fast zeitgleich zwei krasse Sachen: zuerst biegt ein Läufer nach rechts vom Weg ab um sich komplett angezogen in den Bach zu legen. Es ist einfach zu heiss. Ausserdem kommt mir ein Läufer wieder entgegen, mit dem ich vorher über mehrere Kilometer immer in Sichtweite war. Er ist vernünftig und gibt lieber auf.
Mich treibt es weiter. Umd bergauf bin ich ja eigentlich ganz gut, so dass ich einige Leute einsammele. Manche sitzen nun auch einfach am Wegesrand und versuchen irgendwie wieder zu Kräften zu kommen.
Nun kreuzen wir den berühmten Rennsteig und das grüne "R" wird uns ein Stück begleiten. Ein Radbegleiter kümmert sich um einen Amerikaner, der völlig fertig ist.
Bergab werde ich dann wieder mehrfach überholt, aber ich mache es lieber langsam. Ein Mann ruft mir beim Runterrennen zu: "Es geht bergab. Immer rollen lassen". 15 Minuten später im Flachen habe ich ihn wieder eingeholt. Er wankt bedenklich und hat sich auch schon Hilfe per Handy geordert - der Nächste, der aufgibt.
Im nächsten Ort führt die Strecke an einem Freibad vorbei. Mir geht es zwar nicht mehr blendend, aber komischerweise kommt mir gar nicht der Gedanke an einen Sprung ins Wasser. "Weiter, weiter" sagt der Kopf.
Die linke Ferse tut mir weh. Das sich dort bereits eine Blase gebildet hat, weiss ich schon ohne Nachsehen zu müssen. Meine Schuhe sind zwar eigentlich übergross, aber in der Hitze schwellen die Füsse noch mehr an als sonst.
Der finale Akt. Inzwischen bin ich schon über 12 Stunden unterwegs.
Ich laufe an einem Kinderheim vorbei und werde gefragt, was ich hier denn bitte treibe. Meine Antwort erzeugt staunende Gesichter.
Wenn die Strecke durch Ortschaften führt, stehen nun Wasserbehälter oder sogar Getränke an der Strasse. Sehr schön, die Anwohner unterstützen jeden, wo sie können.
Bei ca. Km 90 hole ich zwei Veteranen ein und wir halten einen sehr netten Plausch über die Generationen hinweg. Ein Wahnsinnn mit 75 Jahren noch solche Leistungen zu vollbringen, und das mit eingeklemmten Nerv. Deshalb läuft er auch so schräg (siehe Foto).
Langsam wird es Abend und etwas kühler. Bei Kilometer 92 wird nochmal aufgetankt und ich bin mir sicher im Zeitlimit von 18 Stunden zu bleiben. Es werden noch zwei VP's folgen, d.h. genug Abwechslung um auf andere Gedanken zu kommen.
Was dann bei Km 95 passiert, habe ich so auch noch nicht erlebt und sprengt fast meine Vorstellungskraft. Ok, ich bin ziemlich am Ende, aber wer rechnet auch mitten im Nirgendwo mit Rammstein, Cheerleadern und Radiomoderation (siehe Video). Sehr, sehr cool!
Bis Km98 habe ich zwei weitere Läufer überholt. Einer sitzt auf der Strasse, der andere dehnt sich am Zaun. Aber heute kann ich mich über gar nichts mehr wundern!
Kurz bevor der letzte Kilometer beginnt, kommt ein jugendlicher Radfahrer zu mir und fragt, ob er mich ins Ziel begleiten darf. Sehr nett. Dank Toms Support vergeht der klitzekleine Rest easy und nach 16:29:23h ist es vollbracht!
Gesamtplatz 141, aber darauf kommt es mir gar nicht an. Was für ein Tag - mit vielen Höhen und Tiefen.
Mein erster Stern beim Thüringen Ultra!
Nun gibt es eine Dusche, die ärztliche Versorgung der Schürfwunden und sogar eine Fußpflege. Danach bin ich glücklich erschöpft und geniesse die Zielsuppe.