Rhein-Ahr-Marsch 2018

Wie weit bist Du bereit zu gehen?

Manchmal muß ich mich selber wundern. Wie kann man so blöd sein und einen Tag vor einem 100km-Wettbewerb noch ernsthaftes Krafttraining machen?
Jetzt schmerzt mir am Vorabend auf jeden Fall die linke Wade bei jedem Schritt und das auch noch quasi selbstverschuldet. Mann o mann!
Dann hilft jetzt nur noch ein guter Schalf und das Vertrauen auf die eigene Leistung.

Bis Rheinbach sind es gut 120 Kilometer Strecke, die sich durch größeres Verkehrsaufkommen noch etwas ziehen können,
aber um 16.15h bin ich schon in Besitz meiner Startnummer 342. Jetzt ist noch genug Zeit sich das WM-Viertelfinale (Frankreich - Uruguay) im Stadion anzusehen.
Noch gute 3,5 Stunden bis zum Start. Langsam wird es voller, denn mit 650 Startern ist die zweite Auflage restlos ausgebucht und das ist ja mal eine echte Hausnummer.
Am Parkplatz treffe ich auf das Fernseh-Team der WDR Lokalzeit Bonn, die später live auf Sendung gehen wird und gehe so langsam in den Wettkampfmodus:
Füße einfetten, Umziehen, Dropbag abgeben, Laufrucksack checken, Stirnlampe und Warnweste bereithalten.
Auf dem Sportgelände wird es nun richtig voll. Ein paar letzte Worte durch den Organisator und den Bürgermeister folgen noch und wird es still und ein Dudelsackspieler betritt die Szenerie.
Alle werden andächtig und dann geht es los ...

 

 

 

Die erste Hälfte führt uns durch die Nacht (Remagen, KM 49,3)

Die ersten Kilometer führen uns durch Rheinbach. Wir streifen die Innenstadt mit vielen netten Lokalen. Die Leute wissen nicht so recht, ob sie auf das Fußballspiel (Belgien - Brasilien)
oder vielen Wanderer schauen sollen, die sich hier einer besonderen Herausforderung stellen. Bei den meisten siegt letztlich die Neugier auf die Wanderer.
Gefühlte 3-4 Strassen später sind wir schon am Ortsrand und folgen nun einem Weg in die Natur. Noch sind wir alle recht eng beieinander und es kommt immer wieder zu Überholmanövern.
Ich gehe mein Tempo und geniesse die Aussicht. Nach der Querung einer Apfelbaumplantage folgt einer holpriger Feldweg und die Sonne präsentiert sich besonders schön.
Es ist ein wundervoller Sommerabend bis zum ersten VP im Kottenforst bei KM 11.
Ich nehme nur einen kurzen Schluck und einen Müsliriegel und weiter geht. Es geht nur noch durch lang gezogene Wälder.
Mein rechter Fuß schmerzt. Die neuen Schuhe funktionieren nicht mit der Arix-Schiene, so dass ich mir an der Innenseite eine Blase gelaufen habe.
Das ist schmerzhaft und ich habe keinen Bock das noch weitere 34 Kilometer zu ertragen. Also kommt die Schiene in den Rucksack und nun geht es auch deutlich entspannter.
Die Wege sind zum Glück sowieso gut ausgebaut, so dass ein Umknicken fast nicht möglich sein sollte.
Der 2.VP bei KM 18 bringt eine kurze Banane und der erste große VP ist dann auf der Sportanlage des FC Pech (KM 23). Hier gibt es sogar Bockwurst im Brötchen. Sehr geil!
Aber auch hier verweile ich nicht lange. Jetzt wird es im Wald schon etwas einsamer und ich sehe nur noch vereinzelter Stirnlampen. Und dann spuckt uns die Strecke direkt in Bonn aus.
Bis auf weniger Nachtschwärmer ist am frühen Samstag keiner unterwegs. Ich folge in einer 7er-Gruppe den Markierungspfeilen, ehe wir plötzlich in Plittersdorf am nächsten VP stehen (Km33).
Hier schnappe ich mir ein Käsebrot und weiter gehts. Jetzt sind wir am Rhein und folgen immer dem gut ausgebauten Weg am grossen Strom entlang nach Remagen.
Die Fahrradwegschilder haben ja netterweise KM-Angaben, so dass das Vorwärtskommen dokumentiert ist.
Auf der anderen Rheinseite lasse ich den Petersberg hinter mir nach dem VP bei KM39 kommt Remagen langsam in Sicht.
Nun wird es hell und die Stirnlampe kann weg.
Nur wenige Meter nach dem Friedensmuseum an der berühmten Brücke von Remagen ist Halbzeit. Hier gibt es Nudeln, einige gezeichnete Gesichter und endlich mein Drogbag mit den bewährten Schuhen.
Knapp 9 Stunden war ich bisher unterwegs.

 

 

Im Wein(berg) liegt die Wahrheit (Mayschoß, KM 77,5)

Mit frischen Elan geht es noch ein kurzes Stück am Rhein weiter, dann biegen wir nach rechts ab. Ab jetzt laufe ich mit Stöcken, denn die zweite Hälfte soll ein paar knackige Anstiege bieten.

Jetzt sind auch neue Wanderer dabei, die nur die letzten 50km laufen wollen. Ursprünglich sollte der Start erst um 8h sein, aber wegen der erwarteten Hitze darf man schon ab 5.30h loslegen.

Einige Frische fliegen voller Elan an mir vorbei. Nun schmerzt mir der hintere linke Oberschenkel. Das hatte ich bisher auch selten, aber versuche es soweit es geht zu ignorieren.

Die Kilometer vergehen jetzt langsamer. Bei KM59 gibt es ein kurzes Hirse-Frühstück und ich bin schon wieder auf dem Weg Richtung Bad Neuenahr.

Einige Hundebesitzer sind schon an der Ahr unterwegs und viele RAM-Teilnehmer. Nun komme ich tatsächlich für kurze Zeit auf die Strecke vom Ahrathon 2017 zurück.

Diesmal geht es aber nicht sofort die Weinberge hoch , sondern weiter nach Walporzheim. Hier geht es kurzzeitig durch die Kelleranlagen und dann gibt es Rotweinkuchen.

Gilt es noch als Alkohol?

Noch 31 Kilometer liegen vor mir, aber noch fast alle Höhenmeter. Es geht durch die Rotweindörfer Dernau und Rech und dann durch die Weinberge - mitten in der prallen Sonne.

Die Organisatoren wissen, was nun hilft: NEVER GIVE UP steht in großen Buchstaben auf der Strasse. Das gibt neue Willenskraft.

Die Aussicht von oben ist toll, aber langsam wird mein Wasser knapp. Wann kommt endlich Mayschoß mit der nächste VP???

Aha, am Ende der abfallenden Strasse. Endlich!

Hier gäbe es zwar auch eine Suppe, aber ich belasse es bei einer Bockwurst und viel zu trinken. Ich mache lieber weiter Meter.

 

 

 

Das letzte Stück zum Ziel (Rheinbach, KM 100)

Die nächsten 5KM nach Altenahr sind flach und ein beliebter Radweg. Jetzt kommt nochmal richtig Leben in die Sache und ich finde einen netten Begleiter, mit dem ich mich über

Gott, Sport und die Welt austauschen kann. Wir laufen zwar nun etwas langsamer, aber das ist ok.

In Alternahr (KM82) ist man bestens vorbereitet: es gibt reichlich Magnesium.

Schnell geht es in der prallen Mittagssonne weiter und sofort steil bergauf. Ich schalte den MP3-Player lauter und ab gehts. Ab der Hälfte geht es dann in den Wald und der Schatten ist sehr willkommen.

Das Ahrtal liegt jetzt endgültig hinter mir.

Dank der Stöcke komme ich gut voran und nach einer kurzen Erfrischung in Kalenborn (KM87) folgt in Hilberath, dem Tor zur Eifel, der letzte größere VP (KM90). Hier gibt es eine reichhaltige Obstauswahl.

Einige Leute machen nun eine lange Pause, aber wie Du weißt mache ich gerne durch - also weiter.

Bis zum letzten VP im Wald bei Wormersdorf (KM95) laufe ich nun immer 20-50m hinter einem Mann mit schwarzem Shirt. Am VP hole ich ihn ein und bedanke mich fürs Ziehen. Er hatte mich die ganze Zeit natürlich nicht bemerkt.

Wir bleiben die letzten 5 Kilometer zusammen, auch wenn er durch Blasen etwas eingeschränkt ist.

Jetzt ist alles egal. Wir werden sicher finishen!

Derlange Marsch wird glücklich enden!!!

 

In Rheinbach drehen wir noch 1-2 Runden um auch auf die 100 Kilometer zu kommen und um 15:26h ist es geschafft.

Wir laufen über die Ziellinie und dürfen als 100km-Finisher die aufgehängte Glocke bimmeln.

Im Ziel gibt es tolle Präsente: einen Anstecker, eine Urkunde und eine Falsche Wein.

Letztlich lande ich auf Platz 101 hinter 82 Männern und 18 Frauen, was mir aber recht egal ist (knapp die Hälfte der Starter kam auch im Ziel an).

Ich freue mich nach der langen Tour vor allem auf das Sitzen im Schatten.

 

 

 

Ein Mega-Event. Tolle Strecke, top Organisation!!!