Borderland Ultra (43km, 800 Höhenmeter)

Mein 77.Marathon stand unter keinem guten Stern: die leichten Abschürfungen und die Bänderdehnung 

vom Sturz in der Vorwoche beim Duisburger Halbmarathon waren noch nicht ganz verheilt.

 

Dennoch nahm ich die 420km lange Anreise in Kauf um mich dieser besonderen Herausforderung zu stellen: Mich mitten in der Nacht entlang der ehemaligen bayrisch-thüringischen Grenze durch die Wildnis zu schlagen.

Streufdorf ist tiefste deutsche Provinz und der Ort ist schnell erkundet als ich am Freitag Nachmittag eintreffe. Es ist überraschend warm und bei der Freiwilligen Feuerwehr gibt es die Startnummern, das Streckenbriefing, die Pasta-Party und eine kleine Tombola. Von hier sind man auch die beiden Hügel, die es in der Nacht zu erklimmen gilt.

Alles easy, nur einmal stockt mir der Atem während des Briefings: "Versucht bitte unbedingt auf der Strecke zu bleiben, wir können nicht garantieren, dass sich abseits nicht noch alte Minen befinden."

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es als Witz gemeint war. Aber ich will es auch nicht unbedingt ausprobieren.

 

Wie verbringt man die letzten Stunden vor dem Rennen, wenn es nicht mal eine Gaststätte mit dem Fernseher gibt? Lesen, die natürlichen großen Erdkühlschränke neben meinem Auto bestaunen und etwas dösen.

Um 23 Uhr geht es los: Umziehen, nochmal etwas essen und an zum Start.

 

 

 

Um Mitternacht geht es ins Unbekannte

Es ist doch ganz schön frisch - so mitten in der Nacht auf dem Land.

Ich habe ausreichend Getränke und etwas zu essen dabei, schließlich wird es unterwegs nur drei Verpflegungsstellen geben, davon zwei noch unbesetzt.

 

Und dann geht es los. Zuerst noch kurz durch Streufdorf und dann ab in die Felder und Wälder.

Ab und zu geht es auch anfangs noch auf Landstraßen dahin. Autos oder Zuschauer? Fehlanzeige.

Nach dem 1.VP (ein Tisch mit Iso und Wasser an einem Feldweg), beginnt der Aufstieg zum grossen Gleichberg. Die reflektoren weisen mir den Weg und ansonsten herrscht ausser meinem Keuchen absolute Stille. Ein Wahnsinnsgefühl - ich habe keine Ahnung, wo ich bin und wie krass muss es hier erst vor 30 Jahren gewesen sein?!?

Nach dem 2.VP geht es den kleinen Gleichberg hoch und wieder runter. Zum Beweis, dass man wirklich oben war, wurde an der höchsten Stelle eine Zange befestigt. Blöd nur, wenn man damit kein Loch in seine Kontrollkarte bekommt.

 

Ich mache ein Beweisfoto und laufe weiter

Jetzt wird der Weg richtig schlecht. Ein Laufen ist kaum noch möglich. Unglaublich uneben geht es weiter und man muss höllisch aufpassen.

Nach etwa 25 Kilometern knicke ich das erste Mal um. Der Schmerz lässt nach einer Minute nach und es geht für mich weiter. Es ist weiterhin stockfinster, doch die ersten Vögel fangen an zu singen.

Als der Wald irgendwann aufhört, hole ich einen weiteren Läufer ein, der sich verlaufen hatte. Es fängt an zu dämmern und es geht auf schmalen Wegen zwischen Feldern dahin. Das Gras ist so hoch, dass man den Boden nicht erkennen kann, der hier aus kaputten Dachziegeln besteht - hier knicke ich zum zweiten Mal um. Spätestens jetzt ist der Knöchel übel mitgenommen. Ich ziehe mir die mitgenomme Stabilisierungsschiene über. Damit geht es zumindest etwas besser.

Erste Mitläufer werden per Autos aus dem Gelände abtransportiert, nachdem sie aufgegeben haben.

Nun kommt der bewegendste Moment: es geht auf dem endlosen Kolonnenweg dahin. Mein Gott, wie muß es hier damals gewesen sein.

Kurz nach dem letzten Anstieg bei Km41 überholt mich Simone Gerstmayer, die die Frauenwertung gewinnen wird.

Dann ist es vollbracht und Streufdorf wieder erreicht - Platz 13.

Der Einsatz wird mit einer tollen Finishermedaille belohnt!