Obwohl ich schon am Vorabend gepackt hatte, wurde es leicht hektisch, um pünktlich um 6.30h bei der MSV-Arena zu sein. Glücklicherweise ging alles dann doch noch glatt und ich sass im Reisebus,
der mich zum Egmond Halbmarathon an die holländische Nordseeküste bringen sollte. Einen Sitzplatz zu finden, war gar nicht so einfach, da alle anderen Ihre Taschen auf den Sitzen neben sich oder vor
sich abgestellt hatten. So war der Bus mit seinen 28 Insassen recht voll und der Gepäckraum gähnend leer. Schliesslich fand ich doch noch einen Sitzplatz in der Mitte des Busses, nachdem mein
Sitznachbar seine Tasche freundlicherweise beseite geräumt hatte.
Von allen Mitreisenden kannte ich keinen und ich schaute mir meinen Nachbarn erstmal genauer an.
Er machte auf mich den Eindruck eines Anfängers, der nicht so recht wusste, was folgen würde.
Im Laufe des Tages durfte ich feststellen, dass ich wohl noch nie im meinem Leben so daneben lag und mich meine Menschenkenntnis so im Stich gelassen hat!
Als die Busfahrt losging, wurde das Licht abgedunkelt und WDR4 angemacht (für die Nichtwestler: der Sender ist eher für die ältere Generation gedacht). Ich setzte meinen MP3-Player auf und hing
meinen Gedanken nach. Was würde der Tag bringen? Bei Minustemperaturen und eisigen Verhältnissen den härtesten Wintercross der Niederlande zu laufen.
Harter Tobak!
Nach einer kurzen Pause an der holländischen Grenze, wo es noch kälter war als in Duisburg, kam langsam die Sonne heraus. Wir fuhren immer weiter Richtung Westen, vorbei an zugefrorenen Kanälen, auf
denen einzelne Leute Schlittschuh liefen. Das Thermometer zeigte -5°C an. Der Radiosender war nur noch ein konstantes Rauschen und nach knapp 30 Minuten konnte der Fahrer überredet werden, den Sender
zu wechseln.
Gegen 9.30h fuhren wir durch Alkmar und erreichten kurze Zeit später Egmond. Der Ort war für den normalen Verkehr gesperrt, um bei den erwarteten 15000 Startern ein Chaos zu verhindern. Unser Bus
wurde per Motorrad-Eskorte zu seinem Halteplatz gebracht und wir kamen uns ein bisschen vor wie offiziellen Staatsgäste.
Nun waren es noch knapp 2h bis zum Start um 12.25h. Der Veranstalter war so clever, allen Einheimischen die Startunterlagen bereits vorher per Post zuzuschicken, so dass an der Anmeldung nur die
ausländischen Starter und Nachmeldungen versorgt werden musste.
Nach kleineren Schwierigkeiten klappte dann alles doch reibungslos und wir machten uns dick eingemummelt auf Richtung Nordseestrand. Dabei kam ich mit Stephan, meinem Sitznachbar, genauer ins
Gespräch.
Während ich hoffte, einen 5-Minutenschnitt zu laufen, oder zumindest deutlich unter 2h bleiben zu können. Verschlug es mir fast die Sprache, als Stephan, den ich ja als Anfänger eingestuft hatte,
meinte, also eine 1:20h sollten es schon sein. Donnerwetter, das sass!
Am Strand war es extrem windig und der Sand im oberen Bereich sehr weich. Es sollte sich anbieten nahe am Wasser zu laufen, wo der Sand hoffentlich härter ist. Nach einem letzten Gruppenfoto ging es
zurück zum Bus, um sich für das Rennen zu präparieren.
Ich entschied mich für Radlerhose und lange Tights, kurzes Funktions-Shirts, langes Funktions-Shirts und Lauf-Sweatshirt. Dazu kam noch ein Halstuch, dünne Handschuhe und ein Stirnband für die
Ohren.
Insgesamt gab es 10 Startbereiche, die jeweils in 6-Minuten-Abständen auf die Strecke gelassen wurden.
Alle Läufer unserer Reisegruppe waren in der zweiten Startgruppe eingeteilt worden.
Zwei Fakten noch zum Egmond Halmarathon:
1)Es geht erst drei km durch die Innenstadt, dann 7km am Strand entlang (natürlich mit ordentlich Gegenwind) und abschliessend hinterm Deich durch die Dünen wieder zurück.
2)Die Startgruppe 3 ist der Firmenlauf. Der, in den Niederlanden sehr prestigeträchtig ist, so dass alle Firmen ihre Lauf-Asse aus dem ganzen Land herankarren.
Der Start erfolgte pünktlich. Das Feld rollte langsam los und jeder suchte seinen Rhythmus und die richtige Position. Als es zum Strand ging, kamen auch schon die ersten Firmenläufer an uns
vorbeigeflogen.
Den Strandabschnitt kann man unter dem Begriff "übel" zusammenfassen. Der Wind war sehr stark und kam konstant von rechts vorne. Der Versuch Windschatten beim Vordermann zu finden, klappte auch nicht
wirklich. So kämpfte ich mich also durch den Sand, der nirgendwo hart war und ich musste quasi die ganze Zeit auf den Sand schauen, um nicht in die Fussstapfen meiner Vorläufer zu treten, wo der Sand
noch weicher und unangenehmer zu laufen war.
Alle paar Sekunden flog ein Firmenläufer an mir vorbei. Glücklicherweise haben diese hinten keine Startnummern, sonst würdest Du total verzweifeln. So ergab ich mich meinem Schicksal und versuchte
nicht zuviel Zeit zu verlieren.
Unterwegs musste ich daran denken, wie es dann erst bei einem Wüstenmarathon sein muss.
Jede Prüfung hat einmal ein Ende und so kam schliesslich doch noch der Wendepunkt bei km10. Hier schaute ich das erste Mal auf die Uhr und war sehr erstaunt als ich 50:08 erblickte. Dann war ich ja
doch gar nicht so schlecht unterwegs. Danach geht es über Naturpfade durch die Dünen immer leicht bergig zurück nach Egmond.
Leider liegt zwischen Meer und Rennstrecke nun der Deich, so dass man den ordentlichen Rückenwind nicht zu spüren bekommt. Die nächsten Km sind ohne Publikum und so ist jeder mit sich selbst
beschäftigt. Immer noch überholen mich einige Firmenläufer, aber auf dem harten Boden fühle ich mich sicherer und komme etwas schneller voran.
Bei km15 liege ich ca. 30 Sekunden unter dem 5-Minuten-Schnitt. So richtig geniessen, kann ich das Rennen nicht, denn ich möchte meine Zielzeit schon ganz gerne erreichen und da der Strand und der
Wind ordentlich Kraft gekostet hat, muss ich beissen. Bei km17 bemerke ich einen ersten leichten Krampf in der linken Wade und versuche, meinen Laufstil etwas anzupassen, um das Bein zu entlasten. Es
folgt ein letzter Verpflegungsstand und als ich den Schluck Iso unten habe, nehme ich der netten Dame noch eine Banane aus der Hand! So einen Schwachsinn habe ich auch lange nicht mehr gemacht, denn
nun klebt der ganze Mund. Naja, aber in die Dünen will ich die Frucht auch nicht schmeissen. Hinter km18 leben einige freilaufende Büffel und ich bin wirklich überrascht, dass sie nicht hinter einem
Zaun stehen. Sie sehen sehr exotisch aus, doch sind friedlich und menschenfreundlich. Nun stehen auf beiden Seiten des Weges wieder reichlich Zuschauer und geben zusätzliche Kraft. Wie es der Zufall
will, läuft neben mir Olof von "Egmond Clock" (ich vermute, das ist ein Lokalblatt). Die Leute sind richtig euphorisch und brüllen Olof nach vorne. Das treibt natürlich auch mich an.
Endlich kommt das Zielband "noch 600m". So richtig Vollgas sprinten kann zwar nicht mehr, kämpfe so gut es meine lädierten Muskeln zulassen und überholen noch eine Handvoll Läufer.
1:44:26h stehen auf meiner Uhr, als ich überglücklich und richtig platt die Ziellinie überschreite. Puh, das war ein harter Cross. Im Ziel gibt es dann die Finishermedaille und einen Schutzumhang,
der das Auskühlen etwas verlangsamen soll. Für mich war meine gewählte Rennkleidung heute optimal.
Zum Bus würde ich gerne auslaufen, aber das machen meine Beine nicht mehr mit. Ich komme nur noch gehend vorwärts.
Im Bus werden dann nicht nur die nassen Klamotten gewechselt, sondern auch Zeiten und Erlebnisse ausgetauscht. Man hat sich viel zu erzählen!
Mit meiner Zeit bin ich etwa 10. in der Bus-internen Wertung geworden, wobei fast alle vor mir zwischen 1:42h und 1:43h liegen. Mein Sitznachbar Stephan ist sehr starke 1:23:59h gelaufen und damit
20. geworden. Im Bus war er mit deutlichem Abstand am schnellsten.
Bis zur Rückfahrt um 17h bleibt noch reichlich Zeit und wir gehen gemeinsam Pommes essen.
Unser Reiseleiter Leo ist 1:39h geaufen und darf zur Siegerehrung, denn er ist in seiner Altersklasse Dritter geworden.
Müde schleppen wir uns von der Pommesbude zurück zum Bus. Es ist lange her, dass ich mich so müde gefühlt habe.
Auf der Rückfahrt wird es schnell dunkel und der Vollmond steigt langsam auf. Einige schlafen, der Rest geht nochmal den ereignisreichen Tag durch. Ich komme mit meinen Sitznachbarn Stephan in ein
sehr angeregtes Gespräch.
So vergeht die dreistündige Rückfahrt wie im Flug. Ich lerne extrem viel vom "ambitionierten Hobbyläufer", wie er sich selber bezeichnet, und staune über seinen Elan mit seinen Trainingsfleiss.
20-25h pro Woche. Zwischen den Marathons nimmt er am Triathlon-Ligabetrieb teil und hat bereits zweimal die Langdistanz gefinisht (Bestzeit knapp über 11h). Er macht mir Mut den nächsten Schritt zu
wagen und meinen Bestzeiten anzugehen. Ich hoffe, ich kann das umsetzen.
Insgesamt war Tag sehr erlebnisreich. Der Egmond Halbmarathon ist harter Cross und nicht umsonst als härtester Winterlauf der Niederlande bekannt. Die Natur ist sehr schön und das Umfeld stimmt auch,
so dass ich den Lauf jedem empfehlen kann. Es war ein schöner Start in die neue Laufsaison!
Und nun endlich die ungeschönten Impressionen vom Lauf: