Nach einem leichten Frühstück soll es um 7 Uhr losgehen. Das marokkanische Fernsehen ist allerdings noch unterwegs und so geht es mit knapper Verspätung los.
Noch ist es frisch, aber die Sonne ist ja auch gerade erst aufgegangen. Ausserdem liegen direkt vor uns Dünen. Es wird also sicher bald wärmer werden.
Dann erfolgt der Startschuss und das lange Rennen hat begonnen.
Sofort hetzen die einheimischen Läufer davon und verschwinden langsam am Horizont.
Ich halte mich an Pia und Hans-Jörg, die ein ähnliches Tempo anschlagen.
Anfangs ist es auch noch gut zu laufen. Nach dem Sand folgt eine offene Steppenlandschaft. Die Blick geht in die Weite und ich versuche mit allen Sinnen zu laufen und zu fühlen. Das ist die ganz grosse Freiheit!
Nach wenigen Kilometern geht es in ein Flußbett. Hier wird es für mich ziemlich schwierig, denn es gilt jeden Schritt bewusst zu setzen. Ich knicke mehrmals leicht um und verliere den Anschluß nach vorne.
Jetzt bin ich für einige Kilometer mal vor und mal hinter Raphael unterwegs.
Nach etwas über zwei Stunden taucht ein altes Fort auf der linken Seite auf, was jetzt als Schule dient. Hier ist der erste Checkpoint und es gibt das erste Mal Wasser zum Nachfüllen - und dann nichts wie weiter.
Linker Hand erheben sich schon die Berge. Bleibt nur die Frage, wo sich genau der Tizi N'Lagtara befindet, den wir bei Km 23 überqueren wollen.
Die Frage klärt sich auf den nächsten Kilometern, nachdem ich mich einmal kurz mit Raphael verlaufen habe, denn dann geht es durch ein Steinmeer. Man kann hier den Weg gut erkennen und ich muß den langen Schweizer ziehen lassen.
Bis auf 1037m geht es noch hinauf und am Hang kann ich eine Karawane erkennen, die ich bis zum höchsten Punkt überholt haben werde.
"Etwa 20 Kilometer legen die Karawanen pro Tag zurück", erklärt mir Abdullah, der nun mit mir läuft.
Auf dem Hochplateau wächst nicht mehr viel und wir sehen auch nur einen Ziegenherde in der Ferne.
So geht es locker dahin, ehe ich aus Unachtsamkeit irgendwann richtig umknicke. Jetzt ist definitiv ein Band im Knöchel lädiert. Verdammter Mist!
Vorsichtig geht es weiter zur 2.Wasserstelle bei Km29. Inzwischen habe ich knapp 30 Minuten Rückstand auf den vor mir laufenden Teilnehmer. Ich lege eine Bandage an und bin mir sicher, dass das helfen wird.
Sofort nach dem Checkpoint komme ich an einer Quelle vorbei und es geht steil bergauf zum Pass. Bis auf 1059m geht es in Serpentinen hinauf und ist ziemlich anstrengend.
Vor mir öffnet sich das weite Tal und der Blick auf die nächsten 25 Kilometer unserer Laufstrecke. Mit grossen Schritten geht es nun hinunter.
Anfangs noch sehr steinig, dann verwandelt sich dann Gelände mehr in eine Steppe.
Abdullah und ich laufen gemeinsam durch ein ausgetrocknetes Flußbett und wir durchqueren die Oase Achgig bei ca. Km 35.
Vom nächsten VP ist noch nichts in Sicht, aber die großen Dünen tauchen langsam am Horizont auf. Dort wird das Ende der ersten Etappenhälfte sein.
Bei einer Nomadenfamilie gibt es dann bei Km 41 das nächste Wasser. Ich löse mir ein Peronin-Pulver auf und hoffe, dass es einen Energieschub gibt. Schmecken tut es auf jeden Fall lecker.
Jetzt kommt der Sand. Viel Sand.
Anfangs noch in kleineren Erhebungen. Meine Wüstengamaschen tun ihren Dienst, während Abdullah inzwischen barfuß unterwegs ist.
Die größte Düne (Erg Laabidlia) ist unser Ziel und macht mir auch etwas Angst.
Hoch oben weht eine Sandfahne vom höchsten Punkt wie es man sonst vom Gipfel des Mount Everests kennt (dort natürlich mit Schnee).
Es weht ein kräftiger Wind und leichter Regen setzt ein. Jetzt wird es aber ungemütlich.
17 Uhr ist durch und noch sind es etwa fünf Kilo bis zum Camp Chegaga.
Der Anstieg auf dem Kamm des Erg Laabidlia kostet gewaltig Energie. Mehrmals muß ich zum Durchpusten anhalten und gewaltig aufpassen nicht vom Kamm geblasen zu werden. Oben wartet Jorge, der eigentlich Fotos machen soll, aber das ist bei dem Wind völlig unmöglich.
Die letzten Meter sind dann Blindflug, da der Sand mir frontal von vorne in die Augen getrieben wird. Nichts wie runter!
Die Oberschenkel sind völlig übersäuert, dafür ist der Wind in tieferen Lagen weg. So geht es nun Richtung Osten noch einmal über eine sehr hohe Düne. Auf deren Spitze sitzen einige Touristen und feuern mich an. Etwas surreal das Ganze! Ob mir hier Stöcke geholfen hätte, ist etwas fraglich. Aber ich habe sie ja sowieso nicht eingepackt. Es muss auch so gehen. Die letzten 5 Meter sind so steil, dass ich mich auf allen Vieren hochkämpfe und dann ist es endlich geschafft.
Hurra! Das Camp liegt unter mir. Es ist 18 Uhr und war ein sehr hartes Stück Arbeit.
Im Camp esse ich meine Salami und versuche den Sand so gut es geht wieder loszuwerden. Beim Anziehen meiner Socken bekomme ich Krämpfe. Die meisten Teilnehmer übernachten hier, aber ich hatte den Lauf in einem Rutsch geplant und breche wieder auf.
Ab in die Dunkelheit, mit Stirnlampe und GPS. Pia fragt mich noch, ob ich mir sicher sei, der Himmel ist doch sehr dunkel. Was mir zu dem Zeitpunkt nicht klar ist: seit 17 Uhr gibt es nun ein Weiterlaufverbot und so laufe ich in den nun einsetzenden Regen davon.
Er kommt zum Glück von hinten und mit meinem GPS bleibe ich auf Kurs. Es geht sicher etwas langsamer vorwärts als im Hellen, da nun auch viele Büsche das Weiterkommen erschweren, aber ich mache Meter. IN der totalen Dunkelheit huschen immer wieder Wüstenmäuse vorbei.
Die Rennleitung schickt einen Jeep, der mich gegen 20 Uhr mitten im Nirgendwo wieder einsammelt, da das Weiterlaufen zu gefährlich wird. Alle vor mir laufenden Teilnehmer müssen am nächsten Checkpoint oder bei Nomaden übernachten, ich werde zurück ins Camp gefahren.
Eine gute Entscheidung, denn meine Bekleidung ist ziemlich durchnässt!
Das Unwetter hat sich verzogen, als ich aus meiner Lehmunterkunft trete. Wie gerne hätte ich jetzt frische Laufsocken. Da habe ich leider nicht mitgedacht. :-( Drei heftige Blasen habe ich jetzt schon, aber ein Aufgaben kommt mir nie in den Sinn. Im Gegenteil: ich will mich heute so lange quälen, bis alle offenen Fragen zwischen mir und dem Universum geklärt sind.
Um 7 Uhr werde ich wieder zu dem Punkt gefahren, wo ich aufgesammelt wurde. Die 2-Tages-Läufer starten am Camp, während Hans bereits 20km Vorsprung hat. Er hatte sich in der Nacht zu Nomaden durchgeschlagen und dort übernachtet.
Tagsüber sieht es hier völlig anders aus und ich habe kurzzeitig leichte Orientierungsprobleme mit meinem GPS. Aber spätestens als die marokkanischen Spitzenläufer an mir vorbeifliegen, weiß ich, dass ich richtig bin.
Es geht über eine lange Ebene auf einem Kamel-Weg dahin. Bis zum nächsten Checkpoint bei Km69 ist die Sonne schon höher gestiegen (9.30h) und hat deutlich an Kraft gewonnen.
Am Checkpoint gibt es erstmal frisches Wasser und dringend benötigte Sonnencreme. Die Sonne brennt jetzt gewaltig. Der Weg zur nächsten Wasserstelle in der Oase Diabi ist weit.
Auf schmalem Pfad geht es Richtung Nordosten.
Abdullah hat inzwischen wieder zu mir aufgeschlossen. Wir kommen immer wieder an einzelnen Karawanengruppen vorbei.
Unverhofft tauchen auf einmal einige Esel auf. Auch sie werden hier als Nutztiere eingesetzt. Jetzt folgt die Strecke einem breiten Flußbett aufwärts. Hier geht es nach den gestrigen Regenfällen überraschend viel Wasser und das laute Quaken der Frösche durchbricht die Stille. Sachen gibt's.
Langsam, aber stetig geht es bergan. Nur die Oase will sich noch nicht zeigen. Ich habe noch einen halben Liter Wasser als wir über ein Felsenplateau laufen und sich die ersten Oasen zeigen. Na endlich.
86 Kilometer sind zurückgelegt.
Nanu, oberhalb der Oase steht ein Polizeiauto.
Die Polizisten steigen aus ihrem Jeep um nach dem Rechten zu sehen.
Alles gut, alles klar!
Ich darf weiter.
Ein bisschen geht mir die Energie in der Hitze aus. Noch 22 Kilometer bis ins Ziel.
Ich trinke meine zweite Runde Peronin und hoffe auf Besserung. Das Pulver war so teuer, dann muss es ja wohl auf etwas können.
Jetzt gibt es nur noch Steine und eine endlose Piste. Meine Füße schmerzen gewaltig. Dass ich mindestens eine Handvoll Blasen habe, ist Gewissheit. Da brauche ich gar nicht erst nachzusehen. Aber das Jammern haben wir uns für später auf.
Stattdessen lerne ich lieber von Abdullah. Wir unterhalten uns über Diverses, während die Berge langsam näher kommen. Als wir eine Kamelherde treffen (Mütter und Jungtiere) erfahre ich z.B. wie gehaltvoll Kamelmilch sein soll.
Ich schnappe mir mein vorletztes Gel, während Abdullah ein Thunfischbrot ist. Kann es sein, dass er die bessere Ernährungsstrategie hat?
Während ich mich weiter noch oben arbeite, ist meinem Partner etwas langweilig. Er ist nicht ausgelastet und jagt die Echsen. Wie man auf obigem Foto erkennen kann, ist er nicht nur exzellenter Läufer, sondern auch guter Jäger. Das Opfer kommt mit dem Schrecken davon und wird natürlich wieder freigelassen.
Auf den letzten Metern hoch zum 1071m Pass steht nochmal ein motivierendes "Yallah" auf einem Stein. Dann ist es geschafft! Die Landschaft öffnet sich in der Ferne ist das Ziel zu sehen.
Doch zunächst geht es steil in felsigen Serpentinen bergab zum letzten Checkpoint.
Am letzten Checkpoint gibt es etwas Tee und dann nichts wie Richtung Tee. Noch ca. 10 Kilometer.
Zunächst geht es nun auf der Hangseite sanft entlang, dann kreuzen wir die einzige Strasse. Das Abenteuer geht langsam zuende. Zur Sicherheit bemühe ich nochmal mein GPS: 3 km bis ins Ziel.
Dann beginnen schon wieder die Sandfelder. Nothing can stop us now.
Mohamad hatte vorher beim Briefing die Zielzeit von 18 Uhr ausgerufen. Auf den letzten 200 Metern kommen uns noch zwei Läufer entgegen. Viele Leute stehen rund ums Ziel und applaudieren.
17.57h. Ziel. :-)
Mohamad hat ein Grinsen im Gesicht. Ich brauche erstmal einen Stuhl.
Herzliche Glückwünsche mit allen anderen Teilnehmern werden ausgetauscht. Hier hat jeder in den letzten zwei Tagen Großartiges geleistet.
Hans kommt mit knapp vier Stunden Vorsprung als bester Deutscher im Ziel an. Super Leistung!
Die Dusche wirkt Wunder und bringt die Lebensgeister zurück.
Jetzt wird bei Trommeln der Abschluß des UTMES' würdig gefeiert.