Im übervollen Bus geht es zum Machame Gate auf 1828m. Hier herrscht ein ziemlicher Trubel und erstaunt beobachte ich das hektische Treiben. Hier wird gepackt, gewogen und verhandelt. Um 11h
laufen wir endlich los, ein Träger zeigt uns den Weg, denn von unserem Guide ist nichts zu sehen. Manche Träger hben abenteuerliche Tragetechniken und balancieren grosse Gepäckstücke einfach auf
dem Kopf. Wir wandern auf einem gut ausgebauten Pfad durch den Regenwald aufwärts, Peter wie gewohnt weit voraus.
Beim Lunch bekommen wir erstmalig die anderen 180 Kunden zu spüren, die mit uns heute gestartet sind. Alle Waldplätze sind voll und es ist sehr laut. Ein echter Schock nachdem es am Mount Kenya
noch so beschaulich war. Viele (englischsprechende) Kunden benehmen sich ziemlich respektlos und Andreas spricht aus, was alle denken: "Was für eine dekadente Scheisse! Hier sind sehr viele
Dilettanten am Berg". Recht hat er!
Das Essen ist gut und danach werden erstmal Gruppen überholt, bis wir einigermassen ruhig laufen können. Bis zum Machame Camp kommen wir gut durch, schliesslich sind wir ja auch ordentlich
akklimatisiert. Ein später Nachmittagssnack aus Popcorn und Keksen gibt neue Kraft. Guide Fernando trifft am Abend ein und verspricht für die kommenden Tage eine bessere Organisation.
Als sich der Tag auf das Ende zugeht, kommt es noch zum Highlight: der Kibo zeigt sich wolkenfrei. Er ist nicht umsonst der höchste, freistehende Berg der Welt. Sein Anblick ist gewaltig und alle
sind begeistert.
Am Morgen gibt es Tee und eine Waschschüssel am Zelt, Outdoor-Zimmerservice sozusagen. Nach einem kräftigen Frühstück geht es weiter aufwärts. Die Route ist extrem voll, ein ständiges
Stop&Go, was ziemlich an den Nerven zerrt. Wir überwinden die Baumgrenze und gewinnen zunehmend an Höhe. Zum Mittag setzt starker Regen ein. Ich harre der Dinge und lasse die anderen ziehen,
verlaufen kann man sich bei den vielen Menschen sowieso nicht. Auf nassem Untergrund mache ich die letzten Höhenmeter und erreiche nach 4,5 Stunden das Shira Camp. Der Kopf ist klar und alle
Sachen sind glücklicherweise trocken geblieben.
Gegen Abend verschwinden die dichten Wolken und der Kibo zeigt sich. Nun ist er schon deutlich näher. Die Träger versammeln sich zum Singen für ihren Berg. Mit der Nacht wird es auch empfindlich
frisch, so dass sich alle früh in den Schlafsack verkriechen. Viele Leute kämpfen auch schon mit den Strapazen, so dass der Lautstärkenpegel im gesamten Zeltlager schon deutlich niedriger ist.
Am Morgen ist der Zelteingang mit dünnem Eis überzogen. Heute führt uns Assistant Guide Mark im soliden Tempo. Anfangs ziehen wir spielend an einer anderen Gruppe vorbei und haben dann den ganzen
Tag über unsere Ruhe. Jan und Sabine können nicht mehr folgen und laufen die restliche Tour als Zweiergruppe. Bis auf 4600m führt der Weg bergauf durch die Lava-Wüste. In der Ferne sehen wir die
Träger einer anderen Kilimanjaro-Route.
Zur Mittagszeit wird dann auch der Lava-Tower sichtbar, der etwa 80 Meter hohe markante Fels. Andreas, Hauke und ich entschliessen uns zum Aufstieg, der bis auf zwei heiklere Stellen in 10
Minuten problemlos gelingt. Da etwas Nebel aufzieht, verweilen wir nur kurz auf dem Gipfelplateau (4655m).
Schliesslich steigen wir ins Barranco-Tal ab (3950m). Fünf Stunden haben wir heute benötigt (7-8h waren angesetzt). Selbst unser Guide Fernando hat inzwischen mitbekommen, dass er eine
ungewöhnlich schnelle Fünfer-Truppe betreut und zollt uns seinen Respekt.
Vom Zeltplatz aus können wir die gewaltige Barranco Wall sehen, die wir morgen durchsteigen müssen. Christiane ist wohl etwas mulmig, da dort geklettert werden muss, aber natürlich wird sie diese
Aufgabe mit Bravour meistern. In der Ferne sehen wir die unzähligen Lichter aus der Stadt Moshi.
Als der Abend eigentlich schon im Regen ausklingt, passiert mir das Unglück: ich versuche, möglichst schnell ins Essenszelt zu kommen und falle über eine Zeltschnur. Neben einem ordentlichen
Schrecken habe ich mir die linke Hand aufgerissen, das rechte Knie verletzt und ich habe Abschürfungen über dem linken Auge. Dank Christianes Unterstützung sind die Wunden bald versorgt. Da habe
ich grosses Glück gehabt!
Wir stehen um 5.30h auf um möglichst früh in der Wand zu sein. Das Zelt ist wieder steif gefroren. In der Wand treffen wir auf eine dänische Gruppe, die nur sehr langsam vorwärts kommt. Mit
Erstaunen sehen wir wie Einzelne nur mit grosser Hilfe vorwärts kommen. Als diese Gruppe einmal überholt ist, geht es im gewohnten Tempo weiter. Sagenhafte 66 Minuten brauchen wir für die gesamte
Wand und haben eine grandiose Aussicht auf Heim-, Kersten- und Deckengletscher. Danach rollt unser Express weit vor den anderen Gruppen durch das Gelände. So macht die Sache richtig Spass!
Um 15h erreichen wir das Barafu-Camp. Auf dem abfälligen Gelände haben wir gute Zeltplätze bekommen. In der Ferne sieht man den Mawenzi aus den Wolken ragen. Nun müssen nochmal alle Kräfte
gesammelt werden, denn um 23h soll die Gipfelnacht beginnen.
Was zieht man an, wenn man 6700km von Zuhause entfernt den höchsten Berg Afrikas besteigen will und mit -20°C und eiskalten Winden rechnen muss?
Ich entscheide mich für zwei Paar Socken (eines sehr warm), Unterhose, lange Unterhose, Trekkinghose, Regenhose, T-Shirt, 2 Pullover, 3in1-Jacke, Fleece-Mütze und 2 Paar Handschuhe.
Der lange Tag beginnt anders als erwartet, denn lediglich Andreas ist um 23h bereit. Gemeinsam wecken wir unbeabsichtigt die im Essenszelt schlafenden Helfer. Es gibt warmen Tee und Kekse.
Dann ist es soweit, um 0.10h brechen wir mit den Guide Reginald und Mark auf. In der sternenklaren Nacht zeichnet sich der Berg deutlich und hoch ab. Unzählige Stirnlampen sind bereits nach oben
unterwegs.
Reginald legt los wie von der Tarantel gestochen. Wir überholen und überholen andere Leute. Was hat der Junge vor? Wir versuchen ihn etwas zu drosseln, denn was sollen wir mitten in der Nacht auf
dem Gipfel?
Die Nacht zieht sich dahin, immer wieder prüfe ich mit dem GPS unsere gewonnene Höhe. Das Atmen fällt langsam schwieriger und dann ist für Peter auf 5550m plötzlich Schluss. Er gibt auf und geht
mit Mark zurück zu den Zelten. Schade.
Jetzt ist es bei uns anderen ein starker Wille, der uns weiter vorantreibt. Reginald und Christiane laufen vor mir, Andreas und Hauke hinter mir. Die Gruppendynamik hilft gegen die aufkommende
Kälte und die Erschöpfung. In der Dunkelheit erreichen wir den Stella Point (5740m) und die Gewissheit, dass nur noch 150 Höhenmeter fehlen, gibt neue Kraft. Also ziehen wir am wunderschönen
Rebmanngletscher vorbei und ich sehe in einiger Entfernung Blitzlichter. Aha, da ist also das weltberühmte Holzschild, was den Gipfel des Seven Summit kennzeichnet.
Überglücklich gratulieren wir uns zu dieser tollen Leistung und werfen uns in Gipfelpose. Ich kann mich nicht erinnern jemals so erschöpft gewesen zu sein.
Beim Abstieg wird es dann hell und langsam wärmer. Uns kommen viele gezeichnete Menschen entgegen, einige werden an der Hand geführt um irgendwie auf den Gipfel zu kommen. Wir steigen schnell ab
und es ist sehr staubig. Gegen 8h sind wir schon wieder bei den Zelten. Nun haben alle Kopfschmerzen und brauchen erstmal Ruhe.
Sabine war etwa eine Stunde nach uns auf dem Gipfel und hat grosse Probleme bekommen (Hände und Beine sind unnatürlich angeschwollen), sie muss dringend weiter absteigen.
Nach dem Mittagessen steigen wir zum Mweka Camp (3100m) ab. Peter geht es auch wieder gut und zeigt keine weitere Schwäche. Die etwas trostlose Steinwüste geht dann auch erfreulicherweise in
Regenwald über, so dass sich das Auge auch wieder an Grüntönen erfreuen kann.
Die Trinkgelder haben wir am Vorabend an den Guide gegeben und so gibt es nun die offizielle Verabschiedung von der Crew an den Zelten. Der letzte Abstieg geht durch schönen Regenwald mit
imposanten Bäumen. In Moshi bekommen wir zum offiziellen Abschluss der Tour noch die Gipfelzertifikate überreicht. Der verdiente Lohn für sechs tolle Trekkingtage.