Nach dem anstregenden Samstag sagt rund die Hälfte der Reisegruppe ihre Teilnahme an dieser Wanderung ab. Zita ist etwas erstaunt und fragt mich, ob wenigstens ich mitkommen würde? Selbstverstandlich gerne!
Wir fahren in die Region rund um Kernave, die erste bekannte Hauptstadt des heidnischen Litauens.
Direkt an unserem Haltepunkt ist ein ausgesprochen schöner Aussichtspunkt auf den Fluss Neris. Sehr idyllisch gelegen und wunderbar ruhig. Ein junger Mann genießt die besondere Stimmung.
Als wir von unserer Runde durch den Wald nach einer guten Stunde hier wieder vorbeikommen, ist der junge Mann immer noch da, was ich gut nachvollziehen kann.
Nun geht es hinab und wir verlassen den Wald. Es beginnt leicht zu regnen und in der Ferne tauchen die berühmten Hügel auf, auf denen früher fünf Wehrburgen standen.
Einzelne Hügel lassen sich sogar gut erklimmen, man sollte aber auf den Treppen bleiben und sich nicht querfeldein durchschlagen.
Unsere Tour endet an der kaminroten Kirche, die 1920 auf den abgebrannten Fundamenten ihrer Vorgängerin errichtet wurde.
So langsam endet unsere gemeinsame Zeit mit Zita und Victoras. Wir reisen ganz in den Westen Litauens nach Klapeida und probieren unterwegs nach den landestypischen Käse und litauischen Baumkuchen.
In der drittgrößten Stadt des Landes machen wir nochmal Pause und besichtigen den Ort, der durch den Hafen bestimmt wird.
Wir durchstreifen die Altstadt (Sinamiestis) mit ihren Handwerkergassen. Deshalb heißen die kleinen Strassen hier unter anderem auch nach Schustern, Fischern, Schlossern und Bäckern. Wir bestaunen den schönen Theaterplatz und natürlich lasse ich es mir nicht nehmen, der kleinen Maus einen Wunsch ins Ohr zu flüstern.
Letztlich endet man in einer Hafenstadt doch immer wieder am Wasser und in Klaipeda führt kein Weg am Meridianas vorbei.
Der mächtige Dreimaster war bis 1969 als Segelschulschiff aktiv und wurde ab 2012 aufwändig restauriert. Ohne Frage und völlig zu recht ist er das meistfotografierte Fotomotiv in Klaipeda.
Von hier geht es per Fähre in wenigen Minuten auf die Kuhrische Nehrung, dem letzten Ort auf der Reise.
Zum Abschluss der Reise haben wir noch 2,5 Tage zur Erholung auf der Kuhrischen Nehring.
Die Kuhrische Nehring ist eine geschwungene, schmale Landzunge, deren obere Hälfte rund 50 Kilometer lang ist und zu Litauen gehört. Die untere Hälfte ist für uns Sperrgebiet und gehört zu Russland (die Abzweige Richtung Kaliningrad hatten wir schon auf dem Festland gesehen).
Die Landzunge besticht durch seinen besonderen Mix: hohe Wanderdünen und Kiefernwälder, im Westen feine Ostseesandstrände und im Osten eine Süßwasserlagune (das Kuhrische Haff).
Thomas Mann schrieb und erholte sich hier genauso wie später Jean-Paul Satre.
Irgendetwas muss an diesem Ort also besonders sein, wenn schon Wilheim von Humboldt vor 111 Jahren schrieb:"Man müsse hier gewesen sein, solle einem nicht ein wunderbares Bild in der Seele fehlen".
Gut, dass wir hier sind!
Unsere Basisstation ist Nida, der größte Ort auf der Kuhrischen Nehrung und landschaftlich äußerst schön gelegen. Im Hotel Jurate haben wir eine sehr schöne Unterkunft, in der jedes Zimmer einen eigenen Kühlschrank besitzt. Auf besonderen Wunsch möchte ich an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, dass auch schon Königin Luise von Preußen (eigentlich Luise Herzogin von Mecklenburg und Gemahlin von König Wilhelm |||.) in diesem Hotel übernachtet hat. Da schläft es sich gleich doppelt gut. :-)
Von Nida ist es nur ein kurzer Weg zur großen Düne (Parnidzio Kopa), die direkt an der russischen Grenze liegt. Und da das Wetter zum letzten Mal richtig gut ist, nehme ich mir direkt am ersten Abend das volle Sightseeing-Programm vor:
Über die große Düne zum Ostseestrand, hinauf zum Leuchtturm (Urbo hill) und zurück nach Nida. Kann man mal machen, wobei mir in Nida neben den schönen bunten Holzhäusern besonders das Thomas Mann-Haus und der ethnographische Friedhof gefallen haben.
Das war eine wundervolle und empfehlenswerte Rundtour!
Neben den visuellen Eindrücken kommt aber auch der Genuss nicht zu kurz und was sollte man an der Küste anderes als frischen Fisch essen? Besser und frischer geht es ja gar nicht mehr. Unvergessen ist der lustige Zander-/Lachs-Abend, an dem so manche Anekdote geteilt wurde.
Kaum hat uns Zita verlassen, kommt der Regen!
Am vorletzten Tag möchte ich mich alleine Richtung Norden durchschlagen, die Dünen und den Wald erkunden. Wenn ich die Aktion im Nachhinein ehrlich bewerten soll: das war eine Schnapsidee!
Zunächst folge ich dem Radweg bis in den Kiefernwald und besuche die Bulvikio-Bucht. Hier treffe ich sogar auf Tierspuren, die allerdings nicht vom Elch stammen. Einen Elch zu sehen wäre noch ein Highlight gewesen.
Weiter geht es hoch hinaus auf die Vecekrugo Düne, die ganz anders als erwartet aussieht. Während ich die Aussicht von der Plattform noch geniesse, kommt starker Wind auf und verwandelt den Rückweg im Starkregen in ein nasses Erlebnis. Am Fuße der Düne bin ich dann zumindest halbwegs windgeschützt und übe mich im "Waldduschen" (in Anlehnung an das japanische Waldbaden).
Insgesamt kommen an diesem Tag wahnwitzige 38,7 Kilometer Fußmarsch zusammen. Aufwand und Nutzen stehen hier in keinem guten Verhältnis. Wie gesagt: eine Schnapsidee.
Der allerletzte Tag gehört dem Fahrrad, wird aber nicht weniger anstregend werden.
Mit dem Leihrad, einer guten Rennsemmel, komme ich natürlich viel schneller voran. Erster Stop ist die Preilos Kopa, zu der es über steile Holzstufen hinaufgeht.
Weiter geht es über den Ort Pervalka zu den Toten Dünen (Agilos Dune). Für dieses Naturreservat zahlt man Eintritt, der sich aber lohnt. "Tot" sind die Dünen, da sie durch den starken Bewuchs nicht mehr wandern. Zunächst geht auf Stegen bergan, dann durch den losen Sand bis zur kleinen Aussichtsplattform, von der man schön in beide Richtungen auf das Kuhrische Haff schauen kann.
Im einsetzenden Regen fahre ich noch weiter nach Juodkrante, was etwa in der Mitte von Neringa liegt. Hier gibt es noch den Hexenwald, die Kirche und die feinen Sandfiguren an der Promenade zu bestaunen.
Wer es auch mal abfahren will: der Radweg ist gut ausgebaut und bis auf eine Stelle hinter Pervalka im Wald auch eindeutig. Wenn Du noch weiter nach Juodkrante fahren willst, musst Du einmal durch den Wald von der Westküste zur Ostküste queren, sonst machst Du einen ordentlichen Umweg.
Zurück in Nida zeigt sich das Wetter weiter von seiner stürmischen Seite. Der Uferweg wird vom Wasser überspült. Was den Radfahrer herausfordert, erfreut die Kite-Surfer, die unter den Augen zahlreicher Zuschauer den starken Wind für ihre Tricks nutzen.
Und damit geht auch die wundervolle Zeit auf der Kuhrischen Nehrung zu Ende.