SAHARA - wenn ich die Augen schliesse und mir das Wort wie eine reife Frucht auf der Zunge zergehen lasse, dann denke ich an Sand, Hitze und endlose Weite. Kann man da laufen? Und wie wird es mir ergehen? Nach all dem Training und den Berichten in Zeitung, Funk und Fernsehen war es Zeit für eine Antwort. Nun sollten den Worten endlich Taten folgen.
Die Nacht war kurz und ich bin reichlich nervös. Aber kneifen geht natürlich nicht, auch wenn die Erkältung noch nicht ganz weg ist. Am Düsseldorfer Flughafen mache ich drei Begegnungen. Zum einen Jens Lehmann. Unser ehemaliger Nationaltorwart fliegt nach München und war gestern wohl Gast beim Bundesligaspiel in Leverkusen.
Ausserdem treffe ich meine Mitstreiterinnen Daniela und Beate, die genauso darauf brennen wie ich, dass es endlich losgeht. Am römischen Flughafen schlagen wir die Zeit zu dritt tot, indem wir andere Läufer beobachten, die nach und nach eintreffen.
Der Check-In am TunisAir-Schalter verläuft etwas chaotisch, doch bereits werden die ersten Kontakte zu weiteren Läufern geknüpft. Die beiden isländischen Läufer sind echte Kraftbolzen und mir direkt sympatisch. Weit nach Mitternacht kommen wir in Djerba endlich durch die Passkontrolle und Cheforganisator Adriano Zito begrüsst jeden Teilnehmer persönlich.
Um 7h ist die Nacht im Beach Golf Hotel vorbei. Jetzt geht es Richtung Wüste. Im Bus ist es brüllend heiss, sobald die Lüftung ausgeschaltet ist. Angenehm ist anders, denn ich habe auch etwas wenig Platz. Der Zwischenstop entschädigt mit einem schönen Ausblick und gibt erste Einblicke in das Wüstenleben. Gegen 13h erreichen wir unser Camp in Ksar Ghilane. Das befestige Zelt teile ich mir mit Daniela, Beate und zwei Italienern. Ab Morgen bin ich dann im Zelt 6 untergebracht.
Nach dem Mittagsessen im schön geschmückten Essenszelt, besichtigen wir die Dünenlandschaft, die direkt hinter der Anlage beginnt. Der Sand ist extrem fein und weich, ganz anders als ich ihn mir vorgestellt habe. Das wird spannend werden, ob die Wüstengamaschen den Sand fernhalten können.
Am Teich der Oase findet die Eröffnungszeremonie statt. Die Aussichten sind hart: 70% Sand und 30% Trails erwarten uns.
Der Check-In klappt problemlos und so werde ich mit Startnummer 71 an den Start gehen.
Bevor es losgeht, muss erstmal gepackt werden. Es dauert bis alles verpackt ist, das wird aber von Tag zu Tag routinierter und schneller gehen. Im Camp ist es um 8h bereits angenehm warm, während auf der Düne der Wind ordentlich pfeift. Der Start der Walker wird beklatscht und anschliessend findet, auf freiwilliger Basis, ein gemeinsames Streching mit Fulvio statt.
Am Start bin ich dann erstmal etwas ratlos, denn Markierungen sind nicht zu erkennen. Das kann ja heiter werden.
Organisator Adriano erklärt, dass die ersten drei Kilometer nicht markiert worden sind. Ok, dann also den anderen Läufern nach. Anfangs geht es durch Dünen bis einzelne Ruinen erreicht werden. Das Laufen im Sand ist recht anstrengend und ich merke meine rechte Achillesferse. Schliesslich habe ich meinen Rhythmus gefunden und beginne zu überholen. Nach 50 Minuten sind die Walker erreicht und bis zum einzigen Verpflegungsstand komme ich gut voran. Zum Schluss wird es wieder sandiger und die Strecke führt 2,5 km lang durch Dünen aufwärts. Jetzt heisst es kämpfen. In 2:34h komme ich als 78. ins Ziel. Was für ein toller Einstand!
Zelt Nr.6 wird bezogen und das Mittagessen gibt neue Kraft. Nun beginnt die Regeneration und den Tagesabschluss bildet das Abendessen und tunesische Folklore.
Was für eine Horrornacht: der nächtliche Wind bringt unser Zelt zum Einsturz und mein Kopfkissen und meine Checkpointkarte nimmt er mit in die Weiten der Wüste. Alles wirkt kalt, nass und trostlos. Viele haben sich zum Schlafen ins Essenszelt gerettet. Doch mit dem neuen Morgen steigt auch wieder die Stimmung, denn aufgeben gilt nicht.
Mit neuer Checkpointkarte beginnt unter wolkigem Himmel die zweite Etappe. Meine Beine sind etwas schwer und so starte ich verhalten, finde meinen Rhythmus und laufe vielleicht etwas schnell, schliesslich steht ja morgen der Marathon an. Die Strecke wird zunehmend steiniger und ich fange noch ein paar Läufer ab, ehe ich in 1:24:38h ins Ziel komme.
Die Beine sind jetzt sehr müde und der Rücken schmerzt und so macht Zelt 6 nach dem Mittagessen erst mal einen Erholungsschlaf. Heute habe ich den 75.Platz belegt und mich um einen Platz im Gesamtergebnis verbessert.
Der abendliche Nachtlauf beginnt um 21h und es starten alle 30 Sekunden 2 Läufer in umgekehrter Reihenfolge, also die schnellsten ganz zum Schluss. Jetzt startet mit einer chemischen Leuchte und Stirnlampe auf die farblich markierten 7km. Bis zum Checkpoint laufe ich mit meinem italienischen Partner zusammen und dann gibt es kein Halten mehr. Ich überhole und überhole und überhole, ALLE vor mir Laufenden hole ich ein und bin mit einem Italiener als gefühlter Erster im Ziel. Ein tolles Gefühl.
Natürlich sind die Besten schneller, aber es reicht bis Platz 35 in 35:51 Minuten. Das ist Platz 35 und nun Platz 71 in der Gesamtwertung.
Die Nacht war mit Minusgraden sehr kalt. Auch am Morgen bleibt es kalt und windig. Um 9.30h gehe ich in der zweiten Gruppe auf die Strecke. Es geht sofort in die Dünen und ich orientiere mich an den erfahrenen Läufern und deren Auge den besten Weg zu finden. So kann ich etwas Kraft sparen, was auf der langen Strecke helfen wird.
Nach 80 Minuten sind die ersten Läufer eingeholt und ich komme gut voran. Die Sonne merke ich schon und ich versuche mich gut zu versorgen um der Hitze zu trotzen.
Die Verpflegungspunkte erreiche ich nach 1:55h (km18) und 3:51h (km33). Am Ende laufe ich ganz alleine und bin froh, las das Zielbanner in der Ferne auftaucht. In 4:58:49h komme ich als 62. ins Ziel und bin nun insgesamt auf Platz 63. Das war hart!
Ich habe unterwegs 10 Salztabletten und 4 Gelchips gegessen, was meine Verdauung etwas durcheinander bringt. So was ist mein Körper nicht gewohnt. Ich bin heute durch viele Schmerzen gegangen, aber der Geist war stärker. Am zweiten Zeh habe ich böse Blasen, die ich ärtzlich behandeln lasse. Morgen noch einmal, dann ist es geschafft.
Ein Super-Sonnenuntergang ist ein versöhnlicher Abschluss des anstrengenden Tages, bei dem die Marathon-Sieger aus Spanien und Italien geehrt werden und alle ein Glas sekt bekommen.
Auf in die letzte Schlacht. Es ist wieder sehr windig und nass. Das Compeed-Pflaster schützt die Blasen wie ein Verband. Pünktlich zum Start droht das Essenszelt einzustürzen, also nichts wie los.
Das rechte Knie schmerzt, aber ansonsten geht es ganz gut. Durch die Dünen und auf der Piste lege ich ein ordentliches Tempo vor. Den heutigen Verpflegungsstand lasse ich aus um Zeit zu sparen. Nun folgen die letzten sieben KM in hohen Dünen. Jetzt wird es richtig hart und kräfteraubend. Der Wind kommt genau von vorn und ich kann kaum noch was erkennen. Jetzt hole ich meine Schneebrille aus dem Rucksack um nichts ganz blind zu laufen.
Damit kann ich die Wegmarkierung nun wieder einigermassen erkennen. Dann ist der Ort Douz endlich erreicht. Es folgt der letzte Kilometer auf der Strasse. Jetzt wird nochmal um jeden Platz gefightet.
Ich sehe den Zielbanner, hole die deutsche Flagge aus der Tasche und stürme jubelnd ins Ziel.
YESSS! 2:09:50h für 21 harte Kilometer. Platz 41. Wahnsinn!
Im Zielbereich werde viele Fotos gemacht und alle Teilnehmer beglückwünscht. Eine grosse Goldmedaille bekomme ich überreicht. Jetzt ging es die erste Dusche seit vier Tagen und es ist erstaunlich wieviel Sand vom Körper runtergespült wird. Dann kommt das offizielle Endergebnis:
Am Abend folgt die eindrucksvolle Preisverleihung mit vielen tollen Bildern und das Gala-Dinner mit viel Folklore und reichlich Essen. Der Cheforganisator spricht von den härtesten Verältnissen in der 14-jährigen Geschichte.
Alle sind froh, erfolgreich gefinisht zu haben und tolle Erfahrungen gemacht zu haben.
Ich habe schweren Muskelkater und meine Knie tun sehr weh. 108 Kilometer steckt man dann doch nicht ganz so weg.
Der Flughafen Djerba ist wegen schlechtem wetter gesperrt, so dass sich unsere Abreise verzögert. Wir fahren nach Touzeur und kommen am eindrucksvollen Salzsee vorbei. Nach langem Warten kommt endlich der Flieger und eine tolle Woche geht zuende.
Die 100km del Sahara waren eine tolle Erfahrung. Die Schuhe und die Wüstengamaschen haben den Sand von den Füssen ferngehalten. Die Organisation war sehr gut. Hier habe ich absolut nichts auszusetzen gehabt. Wenn man sich auf die einfachen Bedingungen und das wechselnde Wetter einstellen kann, wird man hier viel Freude haben.
Bei Fragen könnt Ihr Euch gerne melden.
Vielen Dank an Daniela und Beate, die mich in der Woche immer unterstützt haben! Vielen Dank auch an meine Zeltkollegen Pia, Hans Jörg und Grit für die gute Kameradschaft und alle anderen Mitreisenden für die tolle Woche !!!
Fulvio Massini lädt mich zum Abschluss noch zum Florenz Marathon ein. Hier ist er der Renndirektor und schwärmt von der Strecke. Mal sehen, vielleicht 2013.