Der Landschaftspark Nord ist deutschlandweit bekannt und sicherlich ein gutes Beispiel dafür, wie man alte Industriekultur auch anderweitig weiter nutzen kann.
Wo bis in die 80er Jahre noch Tausende Arbeiter Stahl herstellten, ist nun ein tolles Naherholungsgebiet entstanden, mit Kletteranlagen, Spielplätzen, Grünanlagen und ein Freilichtmuseum mit den alten Hallen und Räumlichkeiten.
Fast schon traditionell findet hier das Traumzeit-Festival statt. Es setzt besonders auf entspannte Atmosphäre und verzichtet bewusst auf Bierduschen und Dixie-Klos.
Ich reiste diesmal nur für den Sonntag, den letzten Festival-Tag, an und hatte richtig Glück mit dem Wetter.
Wo es am Vortag noch kräftig geschüttet hatte, war es heute freundlich und trocken.
Zunächst mal ging ich auf Entdeckungstour durch die alte Anlage und entdeckte alte Relikte der Schwerindustrie, Wildwuchs und Gleise, die plötzlich enden. Spannend, was passiert, wenn sich die Natur ein Gebiet zurückerobert.
Direkt am Eingang steht die Bühne am Gasometer. Hier ist alles kostenlos, aber da dies die Nachwuchsbühne ist und die berühmteren Künstler auf den anderen Bühnen spielen, bleibe ich hier nicht lange.
Die Gebläsehalle ist eine tolle Location. Gut bestuhlt und mit bester Sicht von allen Plätzen bietet sie eine besondere Akustik. Wo früher der Hochofenwind erzeugt wurde um die Erschmelzung des Roheisens möglich zu machen, fliegen heute nur noch tolle Töne durch die Luft. Der Lichtdesigner leistet auch ganze Arbeit um die Stimmung der einzelnen Songs farblich zu unterstützen.
Die grosse Gießhalle ist die Mainstage der Veranstaltung. Wo früher alle zwei Stunden das flüssige Roheisen direkt aus dem Hochofen ankam, sieht es eher aus wie in der Stehkurve der MSV-Arena. Ein paar Wellenbrecher und ein nach hinten offenes Dach runden das Bild ab.
Bleibt noch die OpenAir-Bühne auf dem Cowperplatz. Die gibt es in diesem Jahr zum ersten Mal. Hier ist man wirklich direkt umzingelt von hoher Schwerindustrie. Cowper sind übrigens die grossen Zylinder, die man auf den obigen Fotos sehen kann und dienen als Winderhitzer zur Roheisenschmelze. Heute stehen hier Bäume und Büsche, ganz früher in den 60ern waren es noch die Hochöfen 3 und 4.
Den Anfang macht die MKS Big Band auf der Gasometerbühne. Die Big Band der Musik- und Kunstschule der Stadt Duisburg legt sich mächtig ins Zeug.
Ich bekomme allerdings nur die letzten Lieder mit, denn die kostenpflichtigen Bühnen starten ja erst um 15.30h.
Das, was ich gehört habe, ist eine Mischung aus Jazz, Swing und Pop. Zuerst noch mit Gesang und abschliessend nur noch instrumental. Ein netter Beginn für den Festivaltag.
Die eindrucksvolle Gebläsehalle begeistert schon vor dem ersten Auftritt alleine durch seine Optik. Warmes Licht und die schönen Rundfenster, die nun zugemauert sind, lassen eine Vorfreude aufkommen.
Christian Kjellvander kommt mit weiblicher Unterstützung auf die Bühne. Er präsentiert besonders Songs aus seinem fünften Solo-Album "The Pitcher" . Der Schwede mit Hut singt über die Liebe und die Natur. Ruhig, melodisch und wunderbar unterstützt durch das wechselnde Licht der Scheinwerfer.
Es ist erstaunlich, wie sich die Stimmung der Songs mit gelben oder blauen Licht schlagartig ändert.
Mit Razz wird dann auch die OpenAir-Bühne auf dem Cowperplatz eröffnet.Und die Band macht richtig Spaß.
Um diese frühe Zeit ist der Platz noch nicht wirklich voll, aber potentiell ist fast jeder gespielte Song ein Hit, der zum Tanzen und zum Mitklatschen einlädt.
So hört sich heute moderne Rockmusik an.
Hier höre ich gerne immer wieder rein!
Auf Gloria habe ich mich richtig gefreut.
Als ich mir vorher einige Songs auf Youtube angehört habe, blieb mir stellenweise der Mund offen stehen. Was für tolle deutsche Texte!
Der Auftritt von Klaas Heufer-Umlauf und Mark Tavassol wird allen Erwartungen gerecht. Die Band ist noch ganz jung im Festivalgeschäft. Klaas macht richtig lustige Ansagen über die Band, das Industriegelände und das Leben als Musiker.
Am besten gefallen hat mir tatsächlich das Helden-Cover "Wenn es passiert".
Augustines erscheinen auf der Bühne nur zu zweit.
Nanu, was ist denn da los?
Wie sich im Laufe des Konzerts noch klärt, ist der Bassist schwer erkrankt und liegt im Krankenhaus. Deshalb ist die Welttournee erstmal verschoben, aber den Auftritt im Landschaftspark wollten sie dann doch wahrnehmen.
Ich geniesse das Konzert aus der ersten Reihe.
"Nothing to lose" wird früh gespielt und "Cruel city" ganz zum Schluß. Die Hommage / Haßliebe des Sängers Billy McCarthy an seine Heimatstadt New York und die ganzen Yuppies, die ihn dort ziemlich nerven. Es war wieder mal sehr schön!
Vom Auftritt von 5 Sterne Deluxe bekomme ich nur wenig mit. Die HipHopper sind seit fast 20 Jahren dabei und erzählen dem jüngeren Besuchern erstmal, dass der HipHop in den 90er Jahren noch etwas langsamer war als heutzutage.
Die Bühne der vier Hamburger hat sich in einen Bar verwandelt und die ganze Atmosphäre ist doch sehr lässig.
Und das liegt nicht nur am rosafarbenen Rock, der jemand Konzertbesucher sofort ins Auge springt.
Mittags habe ich Kelvin Jones noch am Innenhof getroffen, wo er entspannt Selfies mit einigen Fans macht.
Auf der Bühne der Gebläsehalle ist er dann ganz in Schwarz gekleidet und lässt sich von seiner Band begleiten. Seine Popmusik geht leicht ins Ohr und dem Youtube-Star ist anzumerken, dass ihm der Auftritt sichtlich Spaß macht. Nach seinem Hit "Call you home" wird es zukünftig von ihm sicherlich noch den ein oder anderen Hit im Radio zu hören geben.
Aus der Kölner HipHop-Szene kommt Patrice, der sich aber über den Reggae einen Namen gemacht hat.
Er ist ja auch schon lange im Geschäft und seine Songs machen einfach Spaß und gute Laune. Immer wieder versteht er es die Leute zum Mitmachen zu animieren.
Lustig, wie er fast schon schüchtern auf seine neuen Songs hinweist und hofft, dass sie auch ja allen Besuchern gefallen.
Zum Abschluss gibt es seinen grossen Hit "Soulstorm", den er auf gefühlten 8-10 Minuten verlängert und die Leute endgültig zum Feiern und durchdrehen bringt.
Die Franzosen von Air spielen in Duisburg ihre einzige Deutschland-Show. Zum ersten Mal sehe ich die Elektro-Legenden live.
Die Bühne ist im Hintergrund verspiegelt und lässt einige tolle Lichteffekte zu. So verwandelt sich der abwechslungsreiche Sound in echtes Erlebnis, wenn der Sänger sich z.B. plötzlich mit einer Roboterstimme für den Applaus bedankt. Die Hits von alten und sehr guten Album "Moon Safari" gefallen mir persönlich immer noch am besten.